Kein Mann für flache Hochglanzbilder – Künstler des Monats

März 2015 | von Steffen Radlmaier, Nürnberger Nachrichten 16/03/2015

Das Forum Kultur der Metropolregion Nürnberg hat den Nürnberger Fotografen Bernd Telle zum Künstler des Monats März gekürt.

„Künstlerische Fotografie ist nicht dazu da, schöne Bilder zu machen oder Realität abzubilden, sondern sie hat immer etwas mit dem hinter der Kamera stehenden Fotografen zu tun“, sagt Bernd Telle, der 1957 in Nürnberg geboren wurde. Nicht die Kamera sei das Entscheidende oder die mögliche einsetzbare Technik, sondern die dahinter stehende Bildidee.

„Es geht mir darum, Sehgewohnheiten permanent zu überprüfen und zwar nicht nur meine eigenen, sondern auch die der Betrachter. Wir sind heute von einer so großen Bilderflut umgeben, dass es notwendig ist, Werke herzustellen, an denen man sich reiben kann. Den Hochglanzabbildungen mit flachem Inhalt sollte etwas entgegengestellt werden, was irritiert und dadurch zum genauen Hinsehen motiviert.“

Weite Reisen.
Telles Sujets sind vielfältig. Zwei Nürnberger Ausstellungen bewiesen das im letzten Herbst. Das Menschenbild ist ihm ebenso wichtig wie die Architektur und hier vor allem Gebäude des öffentlichen Raums. Ganz besonders hat es ihm aber die Reisefotografie angetan. Seit Anfang der 1990er Jahre reist Telle regelmäßig fotografierend durch Städte und Länder, weil er davon überzeugt ist, dass Kunst sich dafür anbietet, Brücken zu bauen. „Kunst hat eine internationale Sprache und ist ein Bindeglied.“ Glasgow, Shenzhen, San Carlos, Kuba, Shanghai, Afrika waren Orte, an die Telle gereist ist und die er fotografisch festgehalten hat.
In der Architektur, und nicht nur da, stellt Telle die Dinge aber auch gerne auf den Kopf. In der Bilderserie „Antipoden“ rätselt der Betrachter daher zunächst, was denn eigentlich nicht stimmt. Die einzelnen Bauteile sind vertraut, aber der Gesamteindruck ist seltsam. Bis die Erkenntnis folgt, dass Decke und Boden den Platz getauscht haben.
„Schaut genau hin“ heißt es auch bei Serien wie den „Lookalikes“. Hier ließ sich Telle durch eine Maskenbildnerin in völlig verschiedene Rolleverwandeln, fotografierte sich als Chinese, Osmane, Papparazzo – nur die Augen blieben gleich.
In den „Parallelverschiebungen“ lichtet er Interieurs eines Freilandmuseums ab und stellt sie denen moderner Musterwohnungen gegenüber – die Parallen sind erstaunlich. „Spiegelungen“ auf schwarzem Glas und 3D-Bilder sind weitere Werkserien, die Sehgewohnheiten aufbrechen. Nicht zu übersehen ist dabei Telles Sinn für Ironie.

Einsatz für die Szene.
Seit 1983 ist Bernd Telle selbständig und lebt vor allem von der Werbefotografie. Das ist sein Brotberuf. In den letzten Jahren hat sich der Markt aber gerade in Nürnberg durch zahlreiche Firmenpleiten enorm verändert. Telle musste mit seinem Studio mehrfach umziehen, demnächst steht wieder ein Ortswechsel an.
Daneben engagiert sich Telle auch für die Kameraszene vor Ort und organisiert Ausstellungen. Er war Gründungsmitglied der Fotoszene Nürnberg und ist Vorstand im „fotoszene nürnberg e.V. – forum freier fotografen“. Das Forum hat seit einiger Zeit einen eigenen Projektraum im Galerie- und Atelierhaus Defet und bereitet derzeit die große Sommerausstellung „Mono: Ich“ vor.

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„Artistic photography does not exist to make pretty pictures or to record reality, rather, it has always had something to do with the photographer behind the camera,“ said 57-year-old Bernd Telle.

It is not the camera that is decisive, said Telle, a native of Nuremberg, nor is it the technical possibilities that are available but instead the idea behind the picture.

„I’m concerned with constantly addressing viewing habits and not only my own but also those of the observer. Today we are surrounded by such a flood of images that it is necessary to produce work that creates conflict. The glossy images with flat content need an opposing element that irritates and motivates the observer to really take a close look.

 

Distant travels.
Telles‘ topics are diverse. Two exhibitions in Nuremberg last Fall prove that. Pictures of people are just as important to Telle as architecture–particularly public buildings. It is travel photography that has particularly impressed this photographer. Since the beginning of the ninties, Telle has regularly traveled through cities and countries because he is convinced that art offers the opportunity to build bridges. „Art has an international language and is a connector,“ Telle said. Places where Telle has photographed include Glasgow, Shenzhen, San Carlos, Cuba, Shanghai, and Africa.

In architecture—and not just there—Telle likes to turn things head over heels. In his picture series „Antipoden“ the viewer might first question what exactly is not right in the photographs. The individual pieces seem to fit but the overall impresson is strange…until the realization that the floor and the ceiling have traded places.

„Take an exact look“ is theme in series such as „Lookalikes“. Here Telle used a makeup artist to help him slip into completely different roles and took pictures of himself as Chinese, Osmanne, and as a Papparazzo. Only his eyes stayed the same. In „Parallelverschiebungen“ („Parallel Shifts“) the artist photographed the interior rooms of an „outdoor museum“ and placed the pictures against pictures of modern, model apartments. The parallels are amazing. „Spiegelungen“ („Reflections“)presented on black glass, and three-dimensional pictures are further works that blow apart the normal ways of looking at things. One can not oversee Telles‘ sense of irony.

 

Commitment to the Scene.
Bernd Telle is freelancer since 1983, supporting himself mainly through commercial photography. „That’s my bread and butter,“ he said. The market in Nuernberg has changed enormously in recent years because through bankrupcies of many area companies. Telle has had to change studios several times and is currently is planning a location change.

Besides his usual work, Telle supports the local photography scene and organizes exhibitions. He is a founding member and is chairman of the board of directors of the „Photo Scene Nuremberg“ („Fotoszene Nürnberg“, fotoszene-nuernberg.de), a registered forum of freelance photographers. Since a few months the Fotoszene Nürnberg has its own project room in the Gallery and Studio House Defet in Nuernberg and is preparing their big summer exhibition titled, „Mono: Ich“.